Mittwoch, 31. Dezember 2008

Liebe Leser,

Ich wünsche allen einen guten Rutsch und ein tolles neues Jahr.

Ich werde den größten Teil meines Folgenden hier in Israel verbringen. Es stehen Besuche aus Deutschland an, auf die ich mich sehr freue, aber auch sicherlich noch Vieles, was ich hier entdecken kann. Auch nehme ich mir für den Rest des Jahres vor eins oder mehrere Nachbarländer zu besuchen. Da wären Ägypten und Jordanien, aber auch die Westbank ist noch nicht ganz erkundet.

Zu Beginn habe ich mir in etwa bis hier hin eine Schonfrist gesetzt. Auf Arbeit hat sich alles so schnell und positiv entwickelt, dass diese Frist für diesen Bereich nicht annähernd galt, doch gibt es da andere Bereiche. Ich muss neben der Arbeit einfach noch mehr Zeit finden, die ich konstruktiv nutzen kann. Ob es nun eine durch Museumsbesuche oder der gleichen noch bessere Auseinandersetzung mit der Geschichte und Politik des Landes oder das Lernen von Hebräisch ist. Ein anderes Ziel ist es zudem noch, über die Arbeit hinaus Leute kennen zu lernen.

Mal schaun, ob ich das alles hinbekomme, aber man weiß ja wie das mit Vorsätzen ist. Ich habe allerdings auch noch 8 Monate hier, was eine ganze Menge ist.

Feiert schön, hierbei vor Allem die "Stufen" - Fete in Bislich zu nennen, bei der ich mir allerdings keine Sorgen mache und bleibt gesund,

Euer Julius

Sonntag, 28. Dezember 2008

Gegossenes Blei zu Weihnachten...

Nein, das ist kein neuer oder nur hier zu Lande üblicher Brauch zu Weihnachten, sondern der Name der aktuellen Militäraktion, die sich für mich genau an das Ende von Weihnachten anschloss und für die Juden das finale Fest der Chanukkafeierlichkeiten überschattet. Oder überschatten sollte...?! Bei mir in der Schule, die sicherlich nicht repräsentativ für die Bevölkerung ist, gab es heute zumindest zum Chanukkafest jede Menge gute Laune, wobei ich bei den Mitarbeitern auch nicht ganz einschätzen kann was davon gespielt ist, denn die Kinder verstehen das ja nicht und feiern einfach nur Chanukka. Teo allerdings berichtete von seiner Schule, die auch sonderpädagogisch ist, dass viele Mitarbeiter viel und intensiv Radionachrichten verfolgten. So richtig kann ich die Folgen der Kriegsszenarien im Gazastreifen auf das Gemüt und Verhalten der Israelischen Bevölkerung also noch nicht nennen. Ein israelischer Bekannter schrieb uns eine SMS, dass wir unbedingt auf Busfahrten verzichten sollen, was für uns allerdings kaum möglich ist und sofern ich den heutigen Busalltag richtig beobachtet habe, auch für viele Israelis nicht. Oder ist es ihnen einfach egal? Ich meine wenn  jemand Profi im Umgang mit Terrorgefahr ist, dann doch die Israelis. Und vielleicht ist ihr Ergebnis, dass man es sich einfach nicht leisten kann auf jede Terrorwarnung zu reagieren. Man kann sich ja auch nicht die ganze Zeit Angst einreden und zu Hause bleiben, wer weiß denn auch wie lange der Krieg in Gaza noch geht! Auch bei kleineren Warnungen habe ich ein solches Verhalten schon beobachtet. Als vor 4 Wochen aus welchem Grund auch immer ein erhöhtes Risiko für die Altstadt Jerusalems ausgerufen wurde, kam einen Tag später eine Arbeitskollegin auf mich zu und erzählte mir, dass sie doch gestern seit langem wieder in der Altstadt einkaufen war. Die Warnung interessierte dabei anscheinend nur hysterische Touristen, oder Leute wie mich, die Einkäufe und Besorgungen dann einfach zwei Tage später machen. Gerade erzählt eine Mitfreiwillige von einer Soldatin aus ihrem Projekt, einem Internatsdorf, das natürlich Soldaten zum Schutz hat. Sie hat sie angerufen, um zu erfahren ob sie verlegt wurde und ja so ist es. Sie wurde in ein Dorf in der Nähe von Sterot geschickt, um dort für geregelte Abläufe in den Bunkern und solche Dinge zu sorgen. In solchen Momenten rückt der Krieg dann doch schon nahe. Wenn man mit jemanden telefoniert, der quasi im Kriegsgebiet ist. Fest steht, dass es sich mit mehr als 270 Toten um die Blutigsten Tage im Nahen Osten seit 1967 handelt!

Da das aber erst am 27.12. passierte, hatte ich ein echt schönes Weihnachtsfest mit viel, viel gutem Essen und einer Menge Freunde, Wein, Bier und Party. Am 24. früh abends war ich zum ersten mal auf eigene Faust in der Westbank und zwar in Bethlehem. Dort war es "ganz nett" nicht mehr aber auch nicht weniger. Das Schönste war nicht die religiösen Geschehnisse zu sehen, sondern ein netter Zufall. So traf ich doch auf Morten, einem ehemaligen Freiwilligen von ASF, der jetzt für ein Jahr hier studiert und mit dem ich hier recht viel mache. Er hatte erst zwei Amerikaner angesprochen und dann als sie auf der Suche nach einem netten Kaffee scheitertern noch 4 Palästinenser im Gepäck, die bei der weiteren Suche helfen sollten. Sie führten uns dann nicht in ein klassisches Kaffee, sondern in eine Art Jugendtreff, der in einem Hinterhof war und trotz Plastikstühlen und kahlen Wänden irgenwie nett war. Die Jugendlichen waren jedenfalls sichtlich stolz drauf. Darin dann einen leckeren Kaffee und mit den Amerikanern und Morten zu uns in die Wohnung, da sie keine besonderen Pläne für den Heiligen Abend hatten. Außerdem waren drei Mitfreiwillige aus Haifa da und zwei aus Tel Aviv da und so war es ein netter und interessanter Abend. Am 25. dann ausschlafen und nachmittags offizielle Weihnukkafeier von ASF. Weihnukka ist wie Ihr Euch sicherlich denken könnt ein Mischwort aus Weihnachten und Chanukka. Es waren also Juden aus dem Freundeskreis von ASF anwesend und Christen und natürlich auch Nichtgläubige. Zusammen wurden  die Chanukkakerzen angezündet und Christstollen gegessen. Abends dann unser riesiges Weihnachtsmahl in der WG, welches dann noch für den rieseigen Brunch am 26. reichte und da wir allesamt für abends zum Essen bei einer Mitarbeiteren von ASF eingeladen waren, konnten wir sogar noch ein bisschen davon beim riesigen morgendlichen Mahl am 27.12. genießen, nachdem wir aus dem Club wieder da waren. Als wir dann gegen 14 00 Uhr aufstanden, lasen wir erstmals von den schrecklichen Geschehnissen in Gaza.

Was es jetzt so richtig für mich hier bedeutet weiß ich noch nicht. Die Hamas kündigte wieder die Entsendung von Selbstmordattentätern an, was natürlich ein bisschen Angst macht, andererseits merkt man ja davon so auf den Straßen nichts. Im Moment geht es mir zumindest gut und meinen Mitfreiwilligen größtenteils auch.

Liebe Grüße und Frohe Weihnachten wünscht Euch

Julius

Samstag, 6. Dezember 2008

Danke :)

Vielen Dank für die zahlreichen Glückwünsche. Ich bin sehr gut in mein einundzwanzigstes Lebensjahr reingerutscht. Am Donnerstagabend war ein cooles Konzert im „Yellow Submarine“, einem von der Jerusalem Foundation gegründeter Rockschuppen in Talpiot. Bin also bei leckerem Gitarrensound zwanzig geworden. Danach noch ein Bierchen in der Wohnung. Am nächsten Tag kamen dann über den Tag verteilt viele Gäste und es gab Kaffee und nachher eine satte Brotzeit. Nach ein bisschen Vorglühen ging es dann später in den Club, ins „Bass“. War also alles sehr schön und so bedanke ich mich natürlich auch bei den Gästen, die hier waren.

Bis denne,

Euer Julius

Mittwoch, 26. November 2008

Photos: Allgemein







Und zu guter letzt, ist ja auch mal genug jetzt, noch ein paar Photos, die so zwischendurch entstanden.

Beit Rachel Straus (Schule Rachel Straus)

Dies ist mein Hauptprojekt in dem ich mehr als 30 Stunden in der Woche bin. Von Montag bis Donnerstag meist von 8 bis 14:30 arbeite ich in dieser Schule für Sonderpädagogik. Die Schüler sind alle mehr oder weniger stark geistig behindert, was nicht selten körperliche Einschränkungen mit sich bringt. Nun könnt Ihr Euch gut vorstellen, dass es davon eine Menge zu berichten gibt. Ich werde jetzt jeden einzelnen Tag beschreiben:


Jom Rischon (erster Tag – Sonntag)

Sonntag gilt es für mich früh aufzustehen. Anstelle des normalen Arbeitsbeginnes in der Schule, ist es am Sonntag meine Aufgabe, nach Gilo zu fahren. Das ist ein Stadtteil oder eher Vorort von Jerusalem, der allerdings nicht so weit von mit entfernt ist. Dort hole ich einen Schüler namens Jossi ab. Seine Mutter nennt ihn Joschi, was damit zu tun haben könnte, dass es im Hebräischen einen Buchstaben gibt, der sowohl s als auch sch bedeuten kann und es Doppelbuchstaben nicht gibt. Es schreibt sich also beides gleich. Ihm soll ich das Busfahren zur Arbeit beibringen. In der letzten Schulzeit werden die Schüler nach Möglichkeit schon in ein Arbeitsleben eingebunden. Das heißt, dass sie ein zwei Tage die Woche schon zu einem Job fahren. Ich fahre mit Jossi zu einer privaten Fortbildungsstädte, die von Jeckes gegründet wurde. Jeckes sind hier Juden mit deutscher Herkunft, die den Ruf haben, sehr ordnungs- und pünktlichkeitsfanatisch zu sein, was nicht gerade der israelischen Mentalität ähnelt. Dort soll Jossi die Kaffeecken, die überall im Gebäude sind, aufzuräumen und jegliche zur Verfügung stehende Ressource, wie Kaffee, Kekse oder Wasser, aufzufüllen. Das werde in der Anfangszeit wohl mehr ich machen, denn die Arbeit „muss“ gemacht werden und werde dann versuchen ihm Stück für Stück die Aufgaben zu übergeben, damit er Mitte des Schuljahres (die Schule hat mir keine Zeitvorstellung genannt) dann alleine busfahren und arbeiten kann. 
Danach gehe ich in „meine Klasse“: Kita schel Joana – Joanas Klasse. Das ist die Klasse mit den schwierigsten Schülern. Die sechs Jungen und Mädchen im Alter von 13-21 sind im Vergleich zu den anderen weit aus mehr mental eingeschränkt und benötigen mehr Hilfe und vor allem Aufsicht. Ein Schüler hat zum Beispiel durch seine Krankheit eine verdrehte Wahrnehmung von richtig und falsch. Man kann ihn mit Worten nur in den seltensten Fällen davon überzeugen irgendetwas zu lassen oder mit etwas aufzuhören was falsch ist. Meistens muss man ihn wegtragen nachdem man seine Hand aus den Haaren seiner Mitschüler oder auch recht oft den meinigen Haaren befreit hat oder im Streichelzoo ein Tier vor seiner fest zupackenden Hand gerettet hat. Das lässt ihn jetzt nicht als sonderlich sympathisch erscheinen, auch mir geht das manchmal so. Man muss sich immer im Klaren sein, dass er dafür nicht viel kann. Wie fiel Boshaftigkeit neben seinem Syndrom wirklich in ihm steckt weiß man ja nicht. Also muss man es schaffen immer wenn er dann mal eine positive Sache macht, sofort umzuschalten und, was auch immer er zuvor gemacht hat, drauf einsteigen. Das Nahziel in der Arbeit mit ihm ist es, dass er sich auch über Dinge freuen und lachen kann, die nicht damit zu tun haben, dass sich jemand verletzt oder weh getan hat oder dass jemandem etwas runtergefallen ist oder wegen seiner Attacken anfängt zu weinen. Ihn während des Unterrichts zu bändigen ist schwer und meine Aufgabe. Auch mit Jonathan habe ich viel zu tun. Er ist aufgrund einer Krankheit im Alter von drei Jahren auf dem damaligen Stand stehen geblieben und heute ein 1,75 großes, sehr athletisch gebautes und starkes Kleinkind. Vor allem ist er aber süß. Immer auf der Jagd nach Essen und Leuten mit denen er seine Ich-berühre-deine-Nase-Spielchen machen kann. Für diese finden sich nicht viele, da er meist viel sabbert. Er stürzt sich also vornehmlich auf neue Mitarbeiter oder Besucher, die ihn noch nicht kennen. Des Weiteren bin ich viel mit Adam beschäftigt. Er ist Autist. Er hat in seinem Gesicht einen großen, sich über Nase, Mund und Kinn hinstreckenden, roten Fleck mit Pickeln, die er nach Angaben einer Kollegin auch auf der Innenseite seiner Kopfhaut hat, was ihn geistig weiter einschränkt. Neben seiner Berührungsangst ist vor allem seine Faulheit eine Sache an der wir Arbeiten. Dazu aber unter Montag!
Auch bin ich für Wickeln, normale Klogänge, Sabber und Rotze wegwischen und Essen eingeben zuständig, wo sich das ganze Kollegium unserer Klasse reinteilt. Essen gibt es zweimal am Tag. Um halb zehn Frühstück und um halb eins Mittagessen. Meistens gebe ich Jonathan das Essen ein, manchmal passe ich aber auch auf, dass Chen, der als erstes beschriebene Junge, der alleine isst, nicht mit seinem Essen umher schmeißt. Beendet wird der Sonntag im so genannten Snuselraum. Dieser soll Intimität und Ruhe ausstrahlen. Neben der dort meist stattfindenden Einzeltherapie geht unsere Klasse als einzige auch zusätzlich noch geschlossen dorthin. Der Raum ist komplett mit Matratzen ausgelegt und hat keine Fenster. Die Wände sind mit Vorhängen behangen. Das Ganze in weis. In dem kleinen Raum gibt es dann eine Reihe von Lichtspielen und Dinge wie Kissen, die bei Druck zu vibrieren beginnen.  

Jom scheini (zweiter Tag – Montag)

Um 20 vor acht verlasse ich das Haus und warte vor meiner Türe, dass Assi mich abholt. Er ist auf den Bildern durch seine kräftige Figur zu erkennen. In der Schule sorge ich dann mit dafür, dass alle Kinder aus den Kleinbussen heile ins Schulgebäude kommen und bringe meine Schüler auch in den Klassenraum. Dort wird dann viel Musik gehört und gesungen, während immer jeweils ein Kind auf der Toilette ist und gewickelt wird oder sein morgendliches Geschäft erledigt. Wenn ich von Singen spreche heißt das, dass nur die Betreuer singen, denn in meiner Klasse spricht kein einziger Schüler. Nur Adam ab und zu Wortweise. Nach dem Frühstück habe ich dann meine erste Pause, während die Kinder in der Pausenhalle und auf dem Schulhof sind. Danach gibt es eine Art Open-Space. Die Kinder werden nach ihren Bedürfnissen unabhängig ihres Klassenverbandes in verschiedenste Workshops eingeteilt. Da gibt es Sport, Physiotherapie, Malen, Musik, Snuselraum, Logopädie, Vorbereitungskurs: in einem Jahr ist meine Schulzeit vorbei, Vorbereitungskurs: Leben in einer Wohnung usw. Ich bin in dieser Zeit erst mit Adam im Snuselraum. Ich versuche mit ihm zu erarbeiten, dass er Menschen zur Begrüßung die Hand gibt. Danach bin ich wieder mit Adam unterwegs. Basketball soll seine Faulheit ein bisschen besiegen und ihn zum Bewegen bringen. Am Anfang jeder Stunde ist er sogar noch zu faul den Ball direkt vor seinen Füßen aufzuheben um ihn dann zu werfen, was er ganz gerne macht. Am Ende unserer Stunde, bückt er sich sogar schon nach Bällen, die ich ihm per Fuß zupasse. Ich hoffe, dass die Entwicklung, die in jeder Stunde steckt sich immer schneller vollzieht und es danach zu einer dauerhaft gesteigerten Bewegungsbereitschaft kommt. Meine letzte Stunde im Open-Space widme ich dann der Musik. Es gibt einen Schüler, der sehr gerne und gut auf der Tambuca trommelt. Und mit gut meine ich echt gut. Mein Wunsch ist es, die Motorik, die hinter der Trommelei steckt auch auf andere Felder zu übertragen. Der erste Schritt ist dabei ihn auf einem Drumset spielen zu lassen. Bin gespannt wie sich das entwickelt. Auch ich kann mich in dieser Stunde auf Klavier, Gitarre und natürlich Trommel austoben und habe viel, viel Spaß.
Diese Kurse im Open-Space habe ich mir selbst überlegt und mir die Schüler ausgesucht. Das zeigt, welches Vertrauen mir in der Schule vom Kollegium entgegen gebracht wird und wie offen es für Vorschläge ist. Auch bei kleineren Dingen herrscht eine offene Sprache, bei der einem was gesagt wird, was man anders machen kann oder soll aber auch selber Vorschläge machen kann. 
Danach Essen und direkt danach, also etwas früher, Schluss. 

Jom Schlischi (dritter Tag – Dienstag)

Der Tag beginnt im Streichelzoo, in den die morgendliche Begrüßungsprozedur mit der Klasse verlegt wird. Nach dem Frühstück und einer Stunde im Garten geht es nach einem nach vorne verlegtem Mittagessen ins Schwimmbad. Dort wird nur vereinzelt spezielle Therapie betrieben. Mehr gehen wir spontan auf die Kinder ein und scherzen mehr. Eine gelockerte Stimmung in der die Schüler sicherlich auf die spielerische Art etwas lernen. Danach in die Schule zurück und schon ist Schluss. Daran wird deutlich wie schnell die Tage in der Schule vergehen. 

Jom Revii (vierter Tag – Mittwoch)

Morgens ist Fußball. Dafür kommt extra ein Lehrer einer anderen Schule vorbei. Dieses Projekt wird von Hapoel Tel Aviv unterstützt, was eine große Mannschaft in der ersten Liga Israels ist. Am Ende des Schuljahres gibt es ein Spiel gegen eine arabische Schule für Sonderpädagogik und eine Fahrt nach Tel Aviv, wo wir uns mit dem Team von Hapoel treffen und mit ihnen ein bisschen spielen. Danach helfe ich beim Frühstück in meiner Klasse. Nach der danach folgenden Pause laufe ich mit Robin, der Kollegin aus dem Streichelzoo und sechs Schülern aus verschiedenen Klassen, zu einem Altenheim in der Nähe. Dort machen wir immer ein kleines Programm für die Bewohner. Nehmen Tiere mit und erzählen was über sie oder Basteln was zu einem bestimmten Tierthema. Ein schöner Kontakt für beide Seiten. Es folgt Mittagessen und Arbeiten im Garten, bevor dann Schluss ist.

Jom Chamischi (fünfter Tag – Donnerstag)

Direkt nach Ankunft an der Schule suche ich die meistens so sechs bis acht Schüler zusammen, die mitkommen und verfrachte sie in den Kleinbus und fahre mit ihnen und Schaol, einem Lehrer einer anderen Klasse, zur Armee (Zawa). Dort bekommen die Schüler ein Armeehemd angezogen und helfen in der Küche. Mein Job ist es dabei auf sie aufzupassen, aber vor allem ihnen die Arbeit zu verschaffen. Meistens sind die Soldaten nicht auf uns vorbereitet und so ist es manchmal ein bisschen schwierig aber dennoch spaßig. Wieder in der Schule, helfe ich beim Mittagessen und die Woche wird dann im Snuselraum abgerundet. 


So ich hoffe, dass ihr jetzt eine kleine Vorstellung von meiner Arbeit habt. Musstet ja auch genug dafür lesen.
Ich hoffe, dass man raushört, wie viel Spaß mir die Arbeit macht und wie mir die Kinder bereits jetzt am Herzen liegen. Auch ein tolles Kollegium sorgt dafür, dass ich gerne zur Arbeit gehe. Es unterstützt mich beim Hebräisch lernen und allen anderen Dingen genau im richtigen Maße. D.h. für mich, dass sie mir immer helfen, wenn ich Hilfe brauche, dass sie mich aber auch manchmal alleine lassen und ich mich selber durchbeißen muss und mir einen eigenen Eindruck machen kann. Meine Klasse konnte ich mir quasi selber raussuchen. Ich habe erst in jeder Klasse einen Tag verbracht und habe mich danach entschieden. Warum es die vermeintlich schwierigste Klasse geworden ist fragen mich viele, auch in der Schule. Ich hatte einfach das Gefühl, dass ich dort am hilfsreichsten bin und so war die Entscheidung schnell gefällt und ist bis jetzt noch nicht bereut. 

Photos: Beit Rachel Strauss

























Offene Altenarbeit




Das ist ein wahnsinniges Projekt. Wir dürfen ältere Menschen zu Hause besuchen, die auf irgend eine Art und Weise durch den Nationalsozialismus leiden oder gelitten haben. Mir sind zwei Damen „zugeteilt“. Charlotte Geiger und Edith Kraus (s. Bild). Sie haben beide Verschiedene Geschichten. Die eine ist bereits 1933 aus Berlin nach Palästina geflohen und hat somit den gesamten Aufbau des Landes miterlebt und die andere war drei Jahre in Theresienstadt und wurde nur nicht weiter nach Auschwitz transportiert, weil sie im Ghetto als Pianistin arbeitete und somit den Direktor für Freizeitgestaltung im Ghetto kannte, der ihr zweimal half und sie von der Liste nehmen lassen konnte. 
Es ist herrlich zu sehen, wie eine Beziehung zwischen ihnen und mir wächst. Besonders zwischen Lotte und mir läuft es sehr gut. Sie ist für ihr Alter von 94 Jahren noch erstaunlich fit und sehr diskussionsfreudig, belesen und witzig. Ihr lese ich vor und mache ihr Kaffee und Kuchen. Auch gehen wir oft spazieren. Selbst “Wer wird Millionär” haben wir schon zusammen geschaut. 
Bei Frau Kraus gibt es immer ein sattes Kaffeetrinken mit Wurst- und Käsestullen, was ihre Haushaltshilfe uns bereitet. Mit ihr rede ich viel über ihre Vergangenheit. Wir sprechen über ihre Zeit in Theresienstadt, ihre Karriere als Pianistin und unsere Familien. Auch hören wir sehr gerne zusammen Musik, vornehmlich Klaviermusik, da ich entscheiden darf und ich diese immer wieder auswähle, weil es so faszinierend ist, ihre Finger während des Hörens zu betrachten. Sie spielen in der rechten Hand jeden Ton mit. Die linke ist durch einen Schlaganfall in ihrer Feinmotorik gestört, weswegen sie ihren in der Wohnung stehenden Steinway auch nicht mehr spielt. Aber auch als ich ihr letztens als Überraschung meine CDs mitgebracht habe, die vornehmlich aus Violinmusik besteht und sie sich für Tschaikowskis Violinkonzert entschied, war sie mit ganzem Körper dabei. 
In diesem Arbeitsbereich wird noch viel passieren. Viele interessante und sicherlich auch immer intimer werdende Gespräche wird es geben und ich lerne eine Person, die fast fünf mal so alt ist wie ich und unfassbar viel erfahren hat, gut kennen. 

Beit Ben Yehuda (Das Haus des Ben Yehuda)



 

Hierbei handelt es sich um eine so genannte Begegnungsstätte, die von uns Mitarbeitern liebevoll “Ben” genannt wird. Jugendliche aus aller Welt sollen durch Veranstaltungen oder auch nur durch zufälliges Aufeinandertreffen durch zeitgleiche Belegung von Zimmern zueinanderkommen. Es ist also eine Mischung aus einem Seminarzentrum und einem Gästehaus. Es verfügt sowohl über Zimmer und Betten, als auch über Seminarräume. Es werden Sprachkurse für Iwrit und Arabisch, Zeitzeugengespräche und andere Veranstaltungen angeboten. Die Begegnungsstätte inklusive des Gästehauses liegt unmittelbar hinter dem ASF-Büro Israel. Ich arbeite also im Büro und gleichzeitig auch fürs Gästehaus. Kommt zum Beispiel eine Reisegruppe, wird sie von meinem Mitarbeiter Marco oder mir empfangen. Finden Veranstaltungen statt, bereiten wir sie vor und betreuen sie und ihre Protagonisten, wie zum Beispiel die Zeitzeugen. Marco, der für dieses Projekt 30 Stunden/Woche zur Verfügung hat, erledigt noch eine Menge Bürokram, während meine 5 Wochenstunden meist durch die Veranstaltungen gefressen werden. 

Hier habe ich variable Arbeitszeiten, wobei sie sich meist nach Veranstaltungsterminen richten. Man kann sich dennoch noch sehr viel selbst einteilen oder die Zeiten mit Marco absprechen. Insgesamt ist es hier ein sehr entspanntes und durch die Begegnung mit vielen Jugendlichen, Zeitzeugen und anderen Referenten interessantes Arbeiten. Durch die Projektorientiertheit in meiner Arbeit wird es auch nicht langweilig.

Montag, 27. Oktober 2008

Meine/Unsere Wohnung:

Das Haus hat vier Etagen, keinen Aufzug und eine Wohnung für ASF-Freiwillige im vierten Stock. Doch das geht besser, als sich das jemand wie ich, der die meiste Zeit seines Lebens in einem Einfamilienhaus wohnte, indem der Weg in den Keller schon als eine Strecke angesehen wurde, vorzustellen pflegt. Oben angekommen die halb linke Tür sind wir. Emilie, Marco, Teo und meine Wenigkeit. Wenn man reinkommt, erstreckt sich auf der linken Seite die Küchenzeile, die sich in den Wäschebereich, bzw. wenn Besuch da ist den Besucherbereich, fortsetzt. Die Küche ist nur durch einen Bogen vom Ess-und Wohnzimmer getrennt, was ein Raum ist. Der Esstisch links und der Wohnzimmertisch mit Couches und Nagila (örtliche Bezeichnung für Wasserpfeife) rechts. Kommt man aus der Küche und läuft durch den Wohnbereich geradeaus weiter, so kommt Teos Zimmer. Geht man aber links, so betritt man einen L-förmigen Flur, den Ihr Euch jetzt nicht zu groß vorstellen dürft. Links Markos Zimmer, geradeaus Das Badezimmer rechts Emilies Zimmer und rechts, rechts meins. Ich betrete mein Zimmer und stehe in einer Ecke. Links Nachttisch und Bett, geradeaus Schrank. Und den dürft Ihr Euch jetzt mal groß vorstellen. So groß, dass es quasi Keller und Dachboden der WG zugleich ist. Allmöglichen Krams, den wir nirgens unterbekommen, landet in ihm. Das führt zu einer Sammlung von Klopapiervorrat, Strandspielzeug der Vorgänger, Bettzeug, Nagila-Ersatzteilen und schließlich dann auch noch meinen wenigen Anziehsachen. Neben seiner Größe ist seine wichtigste Eigenschaft seine Hässlichkeit, was mich wahrscheinlich dazu bringen wird, einen Vorhang aufzuhängen, um ihn zu verstecken. Mal sehen, ob ich das auch in die Tat umsetze. An der gegenüberliegenden, anderen kurzen Wand, ist das Fenster. Unter ihm links die Kopfseite meines Bettes, rechts in der Ecke der Schreibtisch. (Alle farbigen und auffallend schön weißen Elemente an den Wänden sind selbstverständlich von uns gemalert.)
In der WG herrscht bis jetzt gute Stimmung. Wir verstehen uns und es gab bis dato wenig Spannungen. Ich bin gespannt ob unser System einer recht umfangreichen Haushaltskasse, aus der fast alle Lebensmittel bezahlt werden, aufgeht oder ob es doch zu einer von mir gehassten Einzelversorgung kommt, in der jeder ein Kühlschrankfach für sich hat und das Gemeinschaftsgut aus Nudeln und Reis besteht. Durch die gemeinsamen Lebensmittel kochen wir auch recht oft zusammen. Spül-Plan? Bis jetzt nicht. Jeder der kocht, muss schon mal nicht abwaschen und das bin nicht selten ich. Ansonsten haben wir nur zwei Putzaktionen. Den Boden wischen und das Bad putzen. Und da haben wir dann auch einen Plan. Ich bin also gespannt ob das sehr regelarme Leben weiter so klappt. Wäre natürlich schön und vor allem entspannt. 

Was auch super ist, dass wir genug Platz für Besuch haben...also wen das jetzt ansprechen sollte: "Komm ruhig vorbei!"

Photos: Mein Zimmer




Photos: Wohnung






Wohngegend

Ich wohne in Talpiyot. Das liegt im Süden Jerusalems und ist eine vielseitige Gegend. Neben den ruhigen Straßen, wie der Bet Lehem Road, in der ich wohne, wird die Umgebung hier von Kleinindustrie und in seinem Westen auch von zahlreichen Einkaufsmöglichkeiten geprägt. Was mich zunächst wunderte, war, dass in der Bet Lehem Road viele dunkelhäutige Menschen Wohnen. Erst dachte ich an äthiopische Christen, die mir aus der Altstadt bekannt waren, doch tragen die meisten Männer unter ihnen eine Kippa. Wo Auf der Arbeit habe ich nachgefragt und herausgefunden, dass es ebenfalls Juden aus Äthiopien gibt. Sie sind jedenfalls sehr nett und grüßen fleißig auf der Straße. Auch haben sie mich für Freitag auf den Fußballplatz eingeladen, der auch auf einem Bild zu sehen ist.
Zum großen und günstigsten Supermarkt und meiner daneben liegenden Schule läuft man im normalen Tempo knappe 20 min. Morgens zur Schule also meistens etwas schneller. Morgen werde ich zum ersten Mal mit dem Auto mitgenommen. Mal sehen ob das überhaupt was bringt. Die Zugangsstraße zur Schule ist nämlich klein und neben der Schule für Jugendliche mit Behinderung, sind auch noch zwei andere Schulen und somit morgens viele Eltern, Busse und für viele meiner Schüler Taxis, die eine schnelle Anfahrt unmöglich machen. Mittags ist das Verkehrschaos ein wunderbar zu beobachtendes Spiel. Wenn ich morgen also mitgenommen werde, werde ich den Rückweg trotzdem zu Fuß antreten. Alles andere dauert nämlich länger. Israelis lassen ihrem Temperament auf der Straße freie Hand. Sie hupen, schimpfen und drängeln was das Zeug hält und verlieren nicht selten die Nerven, wenn die Stadt mal wieder verstopft ist.  
Das ASF-Büro und das angeschlossene Gästehaus sind auch in der Nähe. In eine andere Richtung dauert der Weg dorthin auch etwa 20 Minuten. Auch Frau Geiger, eine der älteren Damen, die ich besuche, lebt dort. In die Altstadt braucht man zu Fuß 45 Minuten und die Innenstadt je nach Busangebot zwischen einer 20 und 45 min. 
Ich bin sehr zufrieden mit der Lage der Wohnung. Sie ermöglicht mir kurze Strecken zur Arbeit und zu den wichtigsten Besorgungen und ist zudem schön ruhig. Der Weg in die Innen- und Altstadt ist leicht ertragbar. 

Photos: Wohngegend