Sonntag, 7. Juni 2009

Und so sieht es aus:

Was soll ich sagen. Lange ist es her, dass Ihr von mir gehört habt und viel ist passiert. Ich möchte die letzte Zeit als sehr intensiv beschreiben. Viele Dinge hatten ihren Höhepunkt und sehr viel ist parallel, überlappend und schleppend von statten gegangen. Um den Artikel lesbar zu halten, werde ich nur versuchen einen Überblick zu schaffen ohne zu oft ins Detail zu rutschen. 

Ein zusätzlicher Faktor der alles ein bisschen stressiger macht ist das Ende. Es ist seit einigen Wochen erstmals greifbar. Zum ersten Mal muss man sich ernsthaft damit auseinandersetzen. Krankenkassenwechsel, Gestaltung des Schlussseminarprogrammes und sogar das Buchen des Zugtickets gen Heimat sind da nur oberflächige Dinge. Was ich vor Allem meine sind Prozesse, Gedankengänge, Entscheidungsfindungen und Arbeitsalltag jeweils auf einer Art Gipfel zu sehen. 


Betrachten wir letzteres. Mit meinen älteren Damen ist ein solches Vertrauensverhältnis entstanden, dass es außerhalb meiner Vorstellungskraft liegt, mir ein Leben ohne die montaglichen Besuche bei „meiner Lotte“ oder die immer wiederkehrenden Fragen von Edith vorzustellen. Jetzt kennt man sich. 

Auch in der Schule fühle ich mich wie gehabt wohl. Nein, eigentlich ist es mehr als das. Es fühlt sich wie ein richtiger Beruf an. Man hat seine Aufgabenbereiche, die man mittlerweile beherrscht und seine Verantwortung. Auch sprachlich ist die Schule ein recht„sicherer“ Ort geworden. Ich habe längst angefangen meine Sprachkenntnisse in die in der Schule und die auf der Straße einzuteilen. Denn das ist ein Phänomen. In der Schule kann ich das meiste auf Hebräisch erledigen und selten ist meine insgesamt immernoch beschränkte Sprachkenntnis noch wirklich ein Problem. Werde ich aber auf der Straße angesprochen, so muss ich zugeben einen sehr viel höheren Prozentsatz nicht zu verstehen. Das Schuljahr neigt sich seinem Ende am 31.Juni zu und so muss ich mir jetzt schon, lange vor Arbeitsende (es folgt eine Art Sommerlager in der Schule mit Ausflügen und nicht allen Schülern) selbst und auch in vielen Besprechungen und Konferenzen die Frage stellen, was ich und vor allem wie ich es gemacht habe. 


Mir Fragen zu stellen scheint eh einer meiner Lieblingsbeschäftigungen geworden zu sein. In vielerlei Hinsicht merke ich doch jetzt, wie die Entfernung zu meinem gewohnten Umfeld seine Wirkung zeigt. In der Selbstreflektion und Entscheidungsfindung ist man sehr viel losgelöster von alten Schemen, was das Ganze nicht unbedingt leichter macht. So war es doch ein langer Weg zu meiner Studienbewerbung und gerade im Bezug auf sie habe ich dem Jahr sehr viel zu verdanken. Der Kontakt zu Botschaftsmitarbeitern und Treffen mit verschiedenen Politikern und Amtsträgern auf der einen Seite und soziale Arbeit, mit Menschen zu tun zu haben und der teils intensive Kontakt zu ihnen und Leuten, die durch ihren Einsatz viel helfen auf der anderen. Vor dem Jahr hätte ich gerne zu der ersten Seite gezählt, dann wollte ich was dazwischen und mittlerweile habe ich den Wunsch was für die zweite Seite zu tun. Ich habe gemerkt, dass ich vor Ort sein möchte. Direkt der Ansprechpartner zu sein und nicht nur mit Zeitdruck Menschen begegnen zu können. Nicht dass ich von der anderen Seite ein schlechteres Bild habe als zuvor, von zwei Seiten zu sprechen mag da auch vielleicht etwas missverständlich auf Euch wirken, doch glaube ich, dass ich besser im direkten Kontakt mit Menschen aufgehoben bin. Und so wanderte mein Studienwunsch von Jura/Völkerrecht über reine Politikwissenschaft hin zu Politikwissenschaft in einer sinnvollen und anwendbaren Kombination. Ob mit Soziologie, Religionswissenschaft oder einem anderen Fach. Was genau ich damit machen werde weiß ich noch nicht, kann ich auch gar nicht wissen, ja, dass muss ich auch noch gar nicht wissen. Man sollte sich auch nicht zu sehr von Erfolgsaussichten steuern lassen. Das ganze hat mich sehr viel Zeit und Kraft gekostet, bis es dann zum heutigen Tag kam und ich die Bewerbung losschickte. Aber genug davon.


Auch meine „regionalen“ Reiseunternehmen hatten sicherlich ihren Höhepunkt. Zu Passah bin ich mit Teo und Simon, zwei Mitfreiwilligen, in den Norden Israels um ihn mit einer Kombination aus Bussen, Trampen und Laufen zu erkunden. Mit Rucksäcken bewaffnet Zogen wir etwa vier Tage durch die Gegend, immer mit dem Auge für den perfekten Schlafplatz oder einem Laden, der trotz Passah Bier verkauft. Letzteres war bis auf eine Ausnahme erfolglos. Ersteres umso mehr. Und so schliefen wir auf mit Butterblumen überzogenen Hügeln, an kleinen Sandstränden der Quellbäche und auch in mitten von Panoramahotels mit Blick auf den See Genezareth stand unser Zelt. Danach ging es nach Jordanien über Beit Scheán haben wir die Grenze passiert um von dort mit dem witzigsten Taxifahrer meines Lebens in die Hauptstadt Amman zu gelangen. Dort haben wir sehr eindrucksvoll das friedliche und entspannte muslimische Leben sehen dürfen und viele interessante aber auch interessierte Menschen getroffen. Nach dieser Erfahrung von Gastfreundschaft der Gegensatz Petra. Um das Weltwunder kommt man bei einer Jordanienreise nun mal nicht herum und so verschlug es auch uns nach zwei Nächten Amman zur weltberühmten Felsenstadt. Noch im Eindruck des Straßen- und Menschenbildes Ammans waren wir dann aber so von den hypertouristischen Ausmaßen dieses winzigen Dorfes geschockt, dass es uns trotz des wunderbaren Anblicks des Indianer Jones Drehortes nicht lange dort hielt. Mit den letzen paar Dinar in unserer Tasche, einem Trampgeschäft und einem kurzen Halt in Aquaba sind wir nach Eilat und somit zurück nach Israel gefahren. Eine Nacht und ein sonnenreicher Strandtag am Roten Meer und weiter nach Tel Aviv, um Simons Geburtstag gebührend zu feiern. Eine lange Fete und ein weiterer Strandtag, diesmal am Mittelmeer, bis wir dann endlich im Bus Richtung Heimat, Richtung Jerusalem saßen. Denn die Woche hatte nicht nur im Bereich Gesichtsbehaarung ihre Spuren hinterlassen.
Nun habe ich aber bewusst „regional“ geschrieben um einen anderen Urlaub auszuklammern. Ich werde nämlich Anfang Juli für 18 Tage nach Amerika fliegen. Ein Besuch zweier Mitfreiwilligen brachte uns auf die Idee uns wiederzutreffen. Und so fliege ich mit Berni, der in Frankreich volontiert, nach Camden-New Jersey, wo Alisa ihre Dienste tut. Durch das Netzwerk der Freiwilligen und einen weiteren Bekannten, werde ich in Boston Philadelphia, Camden und New York Sofas beziehen dürfen und hoffentlich viel vom Land kennen lernen. 

Auch ein weiterer Besuch hierher steht an, denn Walter und Felix haben sich angekündigt. Die beiden bleiben 10 Tage und werden mich schon überzeugen können wieder an den Niederrhein zu kommen.

Es gibt im Moment einfach so viel, ja zu viel zu berichten, so dass ich gar nicht dazu komme oder keinen Kopf dafür habe.


Ich melde mich aber bald wieder und kann dann auch Bilder vom Jordanienurlaub liefern,

Euer Julius