Mittwoch, 26. November 2008

Photos: Allgemein







Und zu guter letzt, ist ja auch mal genug jetzt, noch ein paar Photos, die so zwischendurch entstanden.

Beit Rachel Straus (Schule Rachel Straus)

Dies ist mein Hauptprojekt in dem ich mehr als 30 Stunden in der Woche bin. Von Montag bis Donnerstag meist von 8 bis 14:30 arbeite ich in dieser Schule für Sonderpädagogik. Die Schüler sind alle mehr oder weniger stark geistig behindert, was nicht selten körperliche Einschränkungen mit sich bringt. Nun könnt Ihr Euch gut vorstellen, dass es davon eine Menge zu berichten gibt. Ich werde jetzt jeden einzelnen Tag beschreiben:


Jom Rischon (erster Tag – Sonntag)

Sonntag gilt es für mich früh aufzustehen. Anstelle des normalen Arbeitsbeginnes in der Schule, ist es am Sonntag meine Aufgabe, nach Gilo zu fahren. Das ist ein Stadtteil oder eher Vorort von Jerusalem, der allerdings nicht so weit von mit entfernt ist. Dort hole ich einen Schüler namens Jossi ab. Seine Mutter nennt ihn Joschi, was damit zu tun haben könnte, dass es im Hebräischen einen Buchstaben gibt, der sowohl s als auch sch bedeuten kann und es Doppelbuchstaben nicht gibt. Es schreibt sich also beides gleich. Ihm soll ich das Busfahren zur Arbeit beibringen. In der letzten Schulzeit werden die Schüler nach Möglichkeit schon in ein Arbeitsleben eingebunden. Das heißt, dass sie ein zwei Tage die Woche schon zu einem Job fahren. Ich fahre mit Jossi zu einer privaten Fortbildungsstädte, die von Jeckes gegründet wurde. Jeckes sind hier Juden mit deutscher Herkunft, die den Ruf haben, sehr ordnungs- und pünktlichkeitsfanatisch zu sein, was nicht gerade der israelischen Mentalität ähnelt. Dort soll Jossi die Kaffeecken, die überall im Gebäude sind, aufzuräumen und jegliche zur Verfügung stehende Ressource, wie Kaffee, Kekse oder Wasser, aufzufüllen. Das werde in der Anfangszeit wohl mehr ich machen, denn die Arbeit „muss“ gemacht werden und werde dann versuchen ihm Stück für Stück die Aufgaben zu übergeben, damit er Mitte des Schuljahres (die Schule hat mir keine Zeitvorstellung genannt) dann alleine busfahren und arbeiten kann. 
Danach gehe ich in „meine Klasse“: Kita schel Joana – Joanas Klasse. Das ist die Klasse mit den schwierigsten Schülern. Die sechs Jungen und Mädchen im Alter von 13-21 sind im Vergleich zu den anderen weit aus mehr mental eingeschränkt und benötigen mehr Hilfe und vor allem Aufsicht. Ein Schüler hat zum Beispiel durch seine Krankheit eine verdrehte Wahrnehmung von richtig und falsch. Man kann ihn mit Worten nur in den seltensten Fällen davon überzeugen irgendetwas zu lassen oder mit etwas aufzuhören was falsch ist. Meistens muss man ihn wegtragen nachdem man seine Hand aus den Haaren seiner Mitschüler oder auch recht oft den meinigen Haaren befreit hat oder im Streichelzoo ein Tier vor seiner fest zupackenden Hand gerettet hat. Das lässt ihn jetzt nicht als sonderlich sympathisch erscheinen, auch mir geht das manchmal so. Man muss sich immer im Klaren sein, dass er dafür nicht viel kann. Wie fiel Boshaftigkeit neben seinem Syndrom wirklich in ihm steckt weiß man ja nicht. Also muss man es schaffen immer wenn er dann mal eine positive Sache macht, sofort umzuschalten und, was auch immer er zuvor gemacht hat, drauf einsteigen. Das Nahziel in der Arbeit mit ihm ist es, dass er sich auch über Dinge freuen und lachen kann, die nicht damit zu tun haben, dass sich jemand verletzt oder weh getan hat oder dass jemandem etwas runtergefallen ist oder wegen seiner Attacken anfängt zu weinen. Ihn während des Unterrichts zu bändigen ist schwer und meine Aufgabe. Auch mit Jonathan habe ich viel zu tun. Er ist aufgrund einer Krankheit im Alter von drei Jahren auf dem damaligen Stand stehen geblieben und heute ein 1,75 großes, sehr athletisch gebautes und starkes Kleinkind. Vor allem ist er aber süß. Immer auf der Jagd nach Essen und Leuten mit denen er seine Ich-berühre-deine-Nase-Spielchen machen kann. Für diese finden sich nicht viele, da er meist viel sabbert. Er stürzt sich also vornehmlich auf neue Mitarbeiter oder Besucher, die ihn noch nicht kennen. Des Weiteren bin ich viel mit Adam beschäftigt. Er ist Autist. Er hat in seinem Gesicht einen großen, sich über Nase, Mund und Kinn hinstreckenden, roten Fleck mit Pickeln, die er nach Angaben einer Kollegin auch auf der Innenseite seiner Kopfhaut hat, was ihn geistig weiter einschränkt. Neben seiner Berührungsangst ist vor allem seine Faulheit eine Sache an der wir Arbeiten. Dazu aber unter Montag!
Auch bin ich für Wickeln, normale Klogänge, Sabber und Rotze wegwischen und Essen eingeben zuständig, wo sich das ganze Kollegium unserer Klasse reinteilt. Essen gibt es zweimal am Tag. Um halb zehn Frühstück und um halb eins Mittagessen. Meistens gebe ich Jonathan das Essen ein, manchmal passe ich aber auch auf, dass Chen, der als erstes beschriebene Junge, der alleine isst, nicht mit seinem Essen umher schmeißt. Beendet wird der Sonntag im so genannten Snuselraum. Dieser soll Intimität und Ruhe ausstrahlen. Neben der dort meist stattfindenden Einzeltherapie geht unsere Klasse als einzige auch zusätzlich noch geschlossen dorthin. Der Raum ist komplett mit Matratzen ausgelegt und hat keine Fenster. Die Wände sind mit Vorhängen behangen. Das Ganze in weis. In dem kleinen Raum gibt es dann eine Reihe von Lichtspielen und Dinge wie Kissen, die bei Druck zu vibrieren beginnen.  

Jom scheini (zweiter Tag – Montag)

Um 20 vor acht verlasse ich das Haus und warte vor meiner Türe, dass Assi mich abholt. Er ist auf den Bildern durch seine kräftige Figur zu erkennen. In der Schule sorge ich dann mit dafür, dass alle Kinder aus den Kleinbussen heile ins Schulgebäude kommen und bringe meine Schüler auch in den Klassenraum. Dort wird dann viel Musik gehört und gesungen, während immer jeweils ein Kind auf der Toilette ist und gewickelt wird oder sein morgendliches Geschäft erledigt. Wenn ich von Singen spreche heißt das, dass nur die Betreuer singen, denn in meiner Klasse spricht kein einziger Schüler. Nur Adam ab und zu Wortweise. Nach dem Frühstück habe ich dann meine erste Pause, während die Kinder in der Pausenhalle und auf dem Schulhof sind. Danach gibt es eine Art Open-Space. Die Kinder werden nach ihren Bedürfnissen unabhängig ihres Klassenverbandes in verschiedenste Workshops eingeteilt. Da gibt es Sport, Physiotherapie, Malen, Musik, Snuselraum, Logopädie, Vorbereitungskurs: in einem Jahr ist meine Schulzeit vorbei, Vorbereitungskurs: Leben in einer Wohnung usw. Ich bin in dieser Zeit erst mit Adam im Snuselraum. Ich versuche mit ihm zu erarbeiten, dass er Menschen zur Begrüßung die Hand gibt. Danach bin ich wieder mit Adam unterwegs. Basketball soll seine Faulheit ein bisschen besiegen und ihn zum Bewegen bringen. Am Anfang jeder Stunde ist er sogar noch zu faul den Ball direkt vor seinen Füßen aufzuheben um ihn dann zu werfen, was er ganz gerne macht. Am Ende unserer Stunde, bückt er sich sogar schon nach Bällen, die ich ihm per Fuß zupasse. Ich hoffe, dass die Entwicklung, die in jeder Stunde steckt sich immer schneller vollzieht und es danach zu einer dauerhaft gesteigerten Bewegungsbereitschaft kommt. Meine letzte Stunde im Open-Space widme ich dann der Musik. Es gibt einen Schüler, der sehr gerne und gut auf der Tambuca trommelt. Und mit gut meine ich echt gut. Mein Wunsch ist es, die Motorik, die hinter der Trommelei steckt auch auf andere Felder zu übertragen. Der erste Schritt ist dabei ihn auf einem Drumset spielen zu lassen. Bin gespannt wie sich das entwickelt. Auch ich kann mich in dieser Stunde auf Klavier, Gitarre und natürlich Trommel austoben und habe viel, viel Spaß.
Diese Kurse im Open-Space habe ich mir selbst überlegt und mir die Schüler ausgesucht. Das zeigt, welches Vertrauen mir in der Schule vom Kollegium entgegen gebracht wird und wie offen es für Vorschläge ist. Auch bei kleineren Dingen herrscht eine offene Sprache, bei der einem was gesagt wird, was man anders machen kann oder soll aber auch selber Vorschläge machen kann. 
Danach Essen und direkt danach, also etwas früher, Schluss. 

Jom Schlischi (dritter Tag – Dienstag)

Der Tag beginnt im Streichelzoo, in den die morgendliche Begrüßungsprozedur mit der Klasse verlegt wird. Nach dem Frühstück und einer Stunde im Garten geht es nach einem nach vorne verlegtem Mittagessen ins Schwimmbad. Dort wird nur vereinzelt spezielle Therapie betrieben. Mehr gehen wir spontan auf die Kinder ein und scherzen mehr. Eine gelockerte Stimmung in der die Schüler sicherlich auf die spielerische Art etwas lernen. Danach in die Schule zurück und schon ist Schluss. Daran wird deutlich wie schnell die Tage in der Schule vergehen. 

Jom Revii (vierter Tag – Mittwoch)

Morgens ist Fußball. Dafür kommt extra ein Lehrer einer anderen Schule vorbei. Dieses Projekt wird von Hapoel Tel Aviv unterstützt, was eine große Mannschaft in der ersten Liga Israels ist. Am Ende des Schuljahres gibt es ein Spiel gegen eine arabische Schule für Sonderpädagogik und eine Fahrt nach Tel Aviv, wo wir uns mit dem Team von Hapoel treffen und mit ihnen ein bisschen spielen. Danach helfe ich beim Frühstück in meiner Klasse. Nach der danach folgenden Pause laufe ich mit Robin, der Kollegin aus dem Streichelzoo und sechs Schülern aus verschiedenen Klassen, zu einem Altenheim in der Nähe. Dort machen wir immer ein kleines Programm für die Bewohner. Nehmen Tiere mit und erzählen was über sie oder Basteln was zu einem bestimmten Tierthema. Ein schöner Kontakt für beide Seiten. Es folgt Mittagessen und Arbeiten im Garten, bevor dann Schluss ist.

Jom Chamischi (fünfter Tag – Donnerstag)

Direkt nach Ankunft an der Schule suche ich die meistens so sechs bis acht Schüler zusammen, die mitkommen und verfrachte sie in den Kleinbus und fahre mit ihnen und Schaol, einem Lehrer einer anderen Klasse, zur Armee (Zawa). Dort bekommen die Schüler ein Armeehemd angezogen und helfen in der Küche. Mein Job ist es dabei auf sie aufzupassen, aber vor allem ihnen die Arbeit zu verschaffen. Meistens sind die Soldaten nicht auf uns vorbereitet und so ist es manchmal ein bisschen schwierig aber dennoch spaßig. Wieder in der Schule, helfe ich beim Mittagessen und die Woche wird dann im Snuselraum abgerundet. 


So ich hoffe, dass ihr jetzt eine kleine Vorstellung von meiner Arbeit habt. Musstet ja auch genug dafür lesen.
Ich hoffe, dass man raushört, wie viel Spaß mir die Arbeit macht und wie mir die Kinder bereits jetzt am Herzen liegen. Auch ein tolles Kollegium sorgt dafür, dass ich gerne zur Arbeit gehe. Es unterstützt mich beim Hebräisch lernen und allen anderen Dingen genau im richtigen Maße. D.h. für mich, dass sie mir immer helfen, wenn ich Hilfe brauche, dass sie mich aber auch manchmal alleine lassen und ich mich selber durchbeißen muss und mir einen eigenen Eindruck machen kann. Meine Klasse konnte ich mir quasi selber raussuchen. Ich habe erst in jeder Klasse einen Tag verbracht und habe mich danach entschieden. Warum es die vermeintlich schwierigste Klasse geworden ist fragen mich viele, auch in der Schule. Ich hatte einfach das Gefühl, dass ich dort am hilfsreichsten bin und so war die Entscheidung schnell gefällt und ist bis jetzt noch nicht bereut. 

Photos: Beit Rachel Strauss

























Offene Altenarbeit




Das ist ein wahnsinniges Projekt. Wir dürfen ältere Menschen zu Hause besuchen, die auf irgend eine Art und Weise durch den Nationalsozialismus leiden oder gelitten haben. Mir sind zwei Damen „zugeteilt“. Charlotte Geiger und Edith Kraus (s. Bild). Sie haben beide Verschiedene Geschichten. Die eine ist bereits 1933 aus Berlin nach Palästina geflohen und hat somit den gesamten Aufbau des Landes miterlebt und die andere war drei Jahre in Theresienstadt und wurde nur nicht weiter nach Auschwitz transportiert, weil sie im Ghetto als Pianistin arbeitete und somit den Direktor für Freizeitgestaltung im Ghetto kannte, der ihr zweimal half und sie von der Liste nehmen lassen konnte. 
Es ist herrlich zu sehen, wie eine Beziehung zwischen ihnen und mir wächst. Besonders zwischen Lotte und mir läuft es sehr gut. Sie ist für ihr Alter von 94 Jahren noch erstaunlich fit und sehr diskussionsfreudig, belesen und witzig. Ihr lese ich vor und mache ihr Kaffee und Kuchen. Auch gehen wir oft spazieren. Selbst “Wer wird Millionär” haben wir schon zusammen geschaut. 
Bei Frau Kraus gibt es immer ein sattes Kaffeetrinken mit Wurst- und Käsestullen, was ihre Haushaltshilfe uns bereitet. Mit ihr rede ich viel über ihre Vergangenheit. Wir sprechen über ihre Zeit in Theresienstadt, ihre Karriere als Pianistin und unsere Familien. Auch hören wir sehr gerne zusammen Musik, vornehmlich Klaviermusik, da ich entscheiden darf und ich diese immer wieder auswähle, weil es so faszinierend ist, ihre Finger während des Hörens zu betrachten. Sie spielen in der rechten Hand jeden Ton mit. Die linke ist durch einen Schlaganfall in ihrer Feinmotorik gestört, weswegen sie ihren in der Wohnung stehenden Steinway auch nicht mehr spielt. Aber auch als ich ihr letztens als Überraschung meine CDs mitgebracht habe, die vornehmlich aus Violinmusik besteht und sie sich für Tschaikowskis Violinkonzert entschied, war sie mit ganzem Körper dabei. 
In diesem Arbeitsbereich wird noch viel passieren. Viele interessante und sicherlich auch immer intimer werdende Gespräche wird es geben und ich lerne eine Person, die fast fünf mal so alt ist wie ich und unfassbar viel erfahren hat, gut kennen. 

Beit Ben Yehuda (Das Haus des Ben Yehuda)



 

Hierbei handelt es sich um eine so genannte Begegnungsstätte, die von uns Mitarbeitern liebevoll “Ben” genannt wird. Jugendliche aus aller Welt sollen durch Veranstaltungen oder auch nur durch zufälliges Aufeinandertreffen durch zeitgleiche Belegung von Zimmern zueinanderkommen. Es ist also eine Mischung aus einem Seminarzentrum und einem Gästehaus. Es verfügt sowohl über Zimmer und Betten, als auch über Seminarräume. Es werden Sprachkurse für Iwrit und Arabisch, Zeitzeugengespräche und andere Veranstaltungen angeboten. Die Begegnungsstätte inklusive des Gästehauses liegt unmittelbar hinter dem ASF-Büro Israel. Ich arbeite also im Büro und gleichzeitig auch fürs Gästehaus. Kommt zum Beispiel eine Reisegruppe, wird sie von meinem Mitarbeiter Marco oder mir empfangen. Finden Veranstaltungen statt, bereiten wir sie vor und betreuen sie und ihre Protagonisten, wie zum Beispiel die Zeitzeugen. Marco, der für dieses Projekt 30 Stunden/Woche zur Verfügung hat, erledigt noch eine Menge Bürokram, während meine 5 Wochenstunden meist durch die Veranstaltungen gefressen werden. 

Hier habe ich variable Arbeitszeiten, wobei sie sich meist nach Veranstaltungsterminen richten. Man kann sich dennoch noch sehr viel selbst einteilen oder die Zeiten mit Marco absprechen. Insgesamt ist es hier ein sehr entspanntes und durch die Begegnung mit vielen Jugendlichen, Zeitzeugen und anderen Referenten interessantes Arbeiten. Durch die Projektorientiertheit in meiner Arbeit wird es auch nicht langweilig.