Mittwoch, 25. März 2009

Für rot sehe ich schwarz

Die Avoda, israelische Arbeiterpartei, ist sicherlich das Sorgenkind vieler nicht nur linksgerichteter Seelen im Heiligen Land. Sie scheint aus den letzten zehn Jahren nicht lernen zu wollen. Allen voran ihr Vorsitzender Ehud Barak scheint vor lauter Regierungslust die Grundsätze des sozialistischen Ursprungs zu verlieren. Namen wie David Ben-Gurion und Yitzhak Rabin scheinen vergessen zu sein. Trotz stetigem Wählerrückgang kann man sich nicht mit einer Oppositionsaufgabe zufrieden geben. Natürlich ist die Avoda auch Opfer des allgemeinen Rechtsruckes geworden, der auch andere Parteien wie die friedliche Meretz getroffen hat, doch hat sie sich auch viel selber anzukreiden.

Nun ist also seit gestern Abend sicher, dass auch in der 18. Knesset die Avoda auf der Regierungsbank sitzt. Barak warb beim entscheidenden Parteitag um die Zustimmung in seiner Partei und erhielt die ausreichende Mehrheit von 57%. Man geht also mit dem Likud und sogar mit der ultrarechten Partei Israel Beitanu (unser Haus Israel) eine Koalition ein. Ein Bündnis mit araberfeindlichen Parteien, die durch ihre strikte Ablehnung einer Zweistaatenlösung den Friedensprozess im Nahen Osten stören. Dieser Wortbruch gegenüber den Wahlkampfslogans wird zu weiterem Vertrauensverlust in der Bevölkerung führen. Dazu wird es in der kommenden Legislaturperiode als nur drittstärkste der vier Koalitionspartner schwierig werden Profil zu zeigen und Akzente zu setzen. 

Fest steht bereits, dass Herr Barak ein weiteres Mal den Verteidigungsminister geben wird. Dafür hat er allerdings im Wahlkampf geworben. Doch eher an der Seite von Zipi Livnis Kadima, die trotz der meisten Sitze nicht zur Regierungsbildung beauftragt wurde und ein Bündnis unter Benjamin Netanjahu ablehnte. Das lässt doch viele kritische Stimmen wach werden. Verkauft da jemand seine Partei für seinen persönlichen Lieblingsposten? Auf dem gestrigen Sonderparteitag jedenfalls versuchte Barak vehement seinen über tausend anwesenden Parteigenossen von etwas anderem zu überzeugen. Man müsse das rechte Bündnis verhindern und durch den Beitritt in die Koalition versuchen diese zu neutralisieren. Das sei nur vernünftig. Die Frage ist nur wie sehr sich Barak gegen die beiden starken Männer Liebermann und Netanjahu durchsetzen kann. 

Viele hatten jedenfalls schon gehofft, dass sich die Avoda in einer starken Opposition zusammen mit der Kadima profilieren und neu finden und definieren kann. So glaube ich nicht, dass man dem Abwärtstrend entgegensteuern kann. Im Moment weiß jedenfalls keiner so richtig warum man noch für die ehemalige Stimme der Arbeiter wählen sollte. 

Julius

3 Kommentare:

lohmann-wesel hat gesagt…

Lieber Julius,
meinst Du denn, Livni hat sich mit ihrer Verweigerungspolitik hinsichtlich einer Regierungsbeteiligung glorreich verhalten? Schließlich hat ihre Abstinenz die Mitregierung der ultrarechten Parteien jenseits von Netanjahu ermöglicht. Netanjahu ist zwar ein schlimmer Hardliner, aber auch nicht der Teufel selbst.
Auf weitere anregende politische Diskurse freue ich mich.
Shalom
Walter

Julius Kühn hat gesagt…

Lieber Walter,

Livni hat damit ihr Wort gehalten. Wenn sie mit der Regierungsbildung beauftragt worden wäre, dann wäre ein Bündnis auch möglich gewesen, mit ihr als Chefin. Nur unter Netanjahu wollte sie nur unter bestimmten Umständen in eine Koalition eintreten, die ihr Netanjahu nicht erfüllte. Sie ist mit ihrer Ideologie bis an die Grenze des Möglichen gegangen, hat sie aber im Gegensatz zu Barak nicht überschritten.
Warum lassen wir die Rechten nicht einmal zeigen, dass ihre Politik ins Nichts führt. Die Unterstützung im Land für die jetzige Koalition ist auch nicht besonders groß.Da haben wir zum einen die Avoda-Wähler, die wegen des Wortbruchs größtenteils enttäuscht sind und auch viele Netanjahu-Wähler mögen Liebermann nicht. Somit wird spannend was die Politik in den nächsten Monaten für Anklang finden wird.

Julius

lohmann-wesel hat gesagt…

Wenn ich zynisch wäre, lieber Julius,würde ich sagen, diesen Satz ("Warum lassen wir die Rechten nicht mal zeigen ...")hat man auch sinngemäß im Januar 1933 gehört. Aber Jerusalem ist nicht Weimar. Dennoch zweifle ich, dass Deine Rechnung aufgeht. Etablierte Regierungen finden meist erst mal Zustimmung (siehe G.W.Bush, dessen Bonus erst nach 6-7 Jahren dahinschwand) und eine Beteiligung Livnis hätte zumindest einen Lieberman verhindert ( Ich kenne allerdings die Forderungen nicht, die bei den Verhandlungen zwischen Netanjahu und Livni gestellt wurden).
Man wird sehen.
Halte uns witer auf dem Laufenden
Dein Walter